AMBULANT STATT STATIONÄR: WO IST DAS PROBLEM?
Das Thema der Ambulantisierung der Medizin beschäftigt das Spital Limmattal seit Langem. Mit dem Start für den Gesamtleistungswettbewerb im Jahr 2012 sind wir bereits davon ausgegangen, dass es eine Verschiebung der Behandlungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich geben wird. Und zwar hauptsächlich aufgrund des medizinischen Fortschrittes und der Beobachtung der Entwicklung in anderen Ländern.
Entsprechend erfolgt auch die Planung des neuen Spitals unter Berücksichtigung dieser Verschiebung. Das Resultat: Eine gleichbleibende Bettenzahl bei steigendem Patientenaufkommen, vergrösserte Flächen für die Erbringung ambulanter Leistungen sowie eine direkt an die Kleineingriffsräume angeschlossene Tagesklinik. So werden effiziente und kurz dauernde ambulante Eingriffe ermöglicht.
Unausgewogenes Finanzierungssystem
Neu ist ab Januar 2018, dass staatliche Eingriffe durch Bund und Kantone ein unausgewogenes Finanzierungssystem zwischen dem ambulanten und stationären Bereich mit zusätzlichen Regulierungen zu flicken versuchen, um Kosten zu sparen. Die Managementlehre definiert dieses Vorgehen als Mikromanagement. Das lässt sich damit vergleichen, wie wenn wir im Spital die Kosten stabilisieren wollten, indem der Verwaltungsrat per Beschluss die Schnitzel auf dem Menüplan der Küche durch Cervelats ersetzen würde.
Das bestehende Finanzierungssystem führte in den letzten Jahren dazu, dass die Ambulantisierung nur schleppend umgesetzt wurde. Anstatt auf übergeordneter Ebene sinnvolle Rahmenbedingungen zu schaffen, beschäftigen sich Bund und Kanton damit, unterschiedliche Listen für zwingend ambulant durchzuführende Eingriffe zu definieren. Diese sind mit weiteren Listen verbunden, in welchen Fällen man trotzdem stationär behandeln darf. Zusätzlich gibt es ein entsprechendes Kontrollsystem, was den administrativen Aufwand weiter erhöht. Die Ambulantisierung, eine medizinisch positive Entwicklung, mit vielen Vorteilen für die Patientinnen und Patienten sowie das Gesundheitssystem als Gesamtes, werden einmal mehr zu einem politischen Spielball.
Die Leistungserbringer haben per se nicht wirklich ein Problem, ambulant zu behandeln. Sicherlich, Infrastrukturen sind anzupassen und Prozesse neu zu definieren und die Mitarbeitenden müssen sich mit neuen Abläufen auseinandersetzen. Das ergibt grosse Herausforderungen. Ein Spital das erfolgreich sein will, muss und kann solche Entwicklung aber bewältigen.
Überregulierung verteuert das System
Schwierig und zu einem Problem werden kann es für ein Spital aber dann, wenn es sich nebst den inhaltlichen, meist sinnvollen Entwicklungen auch noch mit einer immer grösser werdenden Regulierungsdichte auseinandersetzen muss.
Bedauerlicherweise ist es Bund, Kanton, Krankenkassen und Leistungserbringern vor allem aufgrund falscher finanzieller Anreize nicht gelungen, sich auf Rahmenbedingungen zu einigen, welche die medizinische Entwicklung sinnvoll unterstützen. Da wäre zum Beispiel die im heutigen System absurde Definition von „stationär“ und „ambulant“ den neuen Gegebenheiten anzupassen (Mitternachtsregelung[1]). Damit würden wir eine Basis für effiziente ambulante Behandlungen schaffen, welche auch den psychosozialen Umständen der Patientinnen und Patienten Rechnung trägt. Es wäre wichtig, die Energie darauf zu fokussieren, ein für das Gesundheitswesen fruchtbares, innovatives Umfeld zu schaffen. Viele gute Ideen sind vorhanden, wie die Ambulantisierung in den Spitalalltag integriert werden kann. Nur können diese aufgrund unflexibler Regulierungen nur mit grossem Aufwand und Verzögerungen umgesetzt werden.
Einmal mehr steigt nun kurzfristig der Druck bei den Leistungserbringern, ihre Arbeit noch effizienter und kostengünstiger zu erbringen, um in einem grundsätzlich unterfinanzierten System zu überleben. Mit dieser Massnahme der 16 ambulant durchzuführenden Eingriffe wird die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen nicht gestoppt. Da gibt es deutlich wirksamere Möglichkeiten: Anpassung des KVG-Leistungskatalogs, Auflösung des Vertragszwangs mit gleichzeitiger Aufhebung der Spitalplanung und Reduzierung von kostentreibenden Vorschriften.
Zufriedene Patienten sind uns wichtig
Trotz all dieser regulatorischen Mängel sollten wir uns der Ambulantisierung nicht verweigern und insbesondere die medizinische Entwicklung zulassen. Dringend müssen aber die nachhinkenden Regulierungen und das Finanzierungssystem entsprechend dem Fortschritt in der Leistungserbringung angepasst werden. Dazu braucht es die Bereitschaft der Kantone, der Krankenkassen und der Leistungserbringer sowie den Willen, sich auf die relevanten Themen zu konzentrieren.
Wir sollten zudem nicht vergessen, dass wir über eines der besten Gesundheitswesen weltweit verfügen und die Zufriedenheit entsprechend hoch ist. Darauf dürfen wir stolz sein.
[1] Wenn heute ein Patient am gleichen Tag ein- und austritt, wird eine Behandlung als «ambulant» definiert. Diese Einteilung verunmöglicht es einem Spital, gewisse ambulante Operationen am Nachmittag oder Abend durchzuführen. Denn Patienten sollten nach einem Eingriff ein paar Stunden zur Überwachung im Spital bleiben können. Sinnvoller und effizienter wäre es, eine 24-Stunden-Regel einzubauen.
Thomas Brack
Direktor Spital Limmattal