Tarife setzen falsche Anreize
Der Kanton Zürich hat 2017 eine Liste mit 16 Behandlungen definiert, die ab 1. Januar 2018 ambulant statt stationär durchgeführt werden müssen. Zu den Behandlungen gehören beispielsweise der Graue Star, Kniearthroskopien oder einfache Mandeloperationen. In gewissen Fällen kann dennoch ein stationärer Aufenthalt nötig sein. Liegen besonders schwere Erkrankungen oder soziale Umstände vor, sind Ausnahmen möglich. Diese müssen jedoch vom Spital dokumentiert und begründet werden. Mit dem Grundsatz «ambulant vor stationär» will der Kanton Zürich Geld sparen. Die Rede ist von jährlich 10 Millionen Schweizer Franken. Denn bei stationären Aufenthalten finanziert er 55 % der Behandlung, während für ambulante Behandlungen alleine die Krankenversicherer aufkommen.
Für gleiche Regeln in der ganzen Schweiz
Der Kanton Luzern hat als erster Kanton eine Liste mit ambulant durchzuführenden Behandlungen per 1. Juli 2017 eingeführt. Auf Anfang 2018 folgen neben dem Kanton Zürich auch die Kantone Wallis, Zug und Aargau. Später im Jahr schliesst sich auch der Kanton Schaffhausen der Zürcher Lösung an. Das Bundesamt für Gesundheit plant eine nationale Lösung auf das Jahr 2019.
Der VZK begrüsst schweizweit einheitliche Regeln, welche die Indikationen, Ausnahmen und das Verfahren regeln. Dabei plädiert er für die Zürcher Lösung, bei welcher Ausnahmefälle nach der Behandlung stichprobenweise geprüft werden. Müssten bei den Ausnahmen vorgängig Kostengutsprachen eingeholt werden, würde sich der administrative Aufwand massiv erhöhen.
Tarife korrigieren statt weiter zu regulieren
Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Idee einer solchen Regelung sinnvoll. Wenn der medizinische Fortschritt eine kürzere Behandlungsdauer erlaubt, die Patientenbedürfnisse ebenfalls in diese Richtung zielen und davon ausgegangen werden kann, dass ambulante Eingriffe im Vergleich zu stationären in der Regel deutlich günstiger sind, ist die Verlagerung sinnvoll.
Bedauerlich ist hingegen, dass der Kanton überhaupt regulatorisch eingreift. Das Problem sind die heutigen finanziellen Anreize. So stellen wir anhand unserer Daten fest, dass sowohl die stationären als auch die ambulanten Spitaltarife mit 96 % respektive 85 % nicht kostendeckend sind. Einzig bei den stationären zusatzversicherten Patientinnen und Patienten kann ein Deckungsbeitrag erzielt werden.
Für Ökonomen ist es deshalb nicht verwunderlich, dass bei dieser Ausgangslage stationäre gegenüber ambulanten Behandlungen bevorzugt werden. Hätten wir im ambulanten Bereich endlich kostendeckende Tarife, wäre eine solche Liste mit dem damit verbundenen administrativen Aufwand gar nicht nötig. Mit korrigierten finanziellen Anreizen würde alleine nach medizinischer Indikation entschieden, ob der Eingriff ambulant oder stationär durchgeführt werden soll.
Statt die finanziellen Anreize in diese Richtung zu korrigieren, hat der Bundesrat im Herbst 2017 zusätzlich einen Eingriff in die ambulante Tarifstruktur TARMED beschlossen und will damit jährlich 470 Millionen Franken einsparen. Mit diesem erneuten Eingriff des Bundesrates sinkt die Kostendeckung im ambulanten Bereich um weitere Prozentpunkte. Wie die Daten der VZK-Spitäler zeigen, kann heute kein einziges Spital mit dem TARMED-Taxpunktwert von CHF 0.89 kostendeckend arbeiten. Auch erhalten die Akutspitäler im Gegensatz zu den psychiatrischen Kliniken im Kanton Zürich keine Subventionen für ihre Ambulatorien.
Spitäler brauchen Gewinn, um zu investieren
In der Vergangenheit wurden die Anlagenutzungskosten durch den Kanton mitfinanziert. Mit dem Wechsel zur neuen Spitalfinanzierung per 1. Januar 2012 entfiel diese Mitfinanzierung für die Akutspitäler vollständig. Es ist deshalb an der Zeit, dass die Anlagenutzungskosten mit dem Taxpunktwert abgegolten werden, damit auch in Zukunft die nötigen Investitionen getätigt werden können. Aus diesem Grund hat der VZK beim Regierungsrat die Festsetzung des TARMED-Taxpunktwertes in der Höhe von CHF 1.03 beantragt.
Neben der Erhöhung des TARMED-Taxpunktwertes könnten folgende Ansätze etwas zur Verbesserung der Situation beitragen.
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Ambulante und stationäre Behandlungen sollten für die Leistungserbringer die vollen Kosten decken oder zumindest bezüglich Kostendeckungsgrad identisch sein.
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Für ambulante Behandlungen muss die Tarifstruktur (heute Einzelleistungstarif TARMED) wie von H+ gefordert angepasst werden.
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Einzelne ambulante Leistungen könnten mit Pauschalen abgegolten werden. Die Gesundheitsdirektion und der VZK haben für 2018 ein entsprechendes Pilotprojekt geplant.
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An der Schnittstelle zwischen ambulant und stationär könnte eine neue Behandlungsart definiert werden. Darunter würden geplante Spitalaufenthalte fallen, bei denen ein Pflegestationsbett oder der Operationssaal einschliesslich Anästhesie für maximal 24 Stunden benötigt werden. Je nach Ausgestaltung des Kostenteilers und des zu erreichenden Kostendeckungsgrads können die finanziellen Anreize korrekt gesetzt werden. Kantonale oder nationale Listen mit dem entsprechenden administrativen Aufwand würden überflüssig.
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Die bestehenden Fehlanreize im Zusammenhang mit Zusatzversicherungshonoraren könnten mit der Einführung von Zusatzversicherungsprodukten im ambulanten Bereich beseitigt werden.
Forderungen des VZK
Der VZK setzt sich dafür ein, dass die Tarife auch in der Grundversicherung die Kosten decken. Damit würden etliche Fehlanreize behoben. Weiter plant der VZK für 2018 ein Pilotprojekt mit der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, bei dem ambulante Fallpauschalen entwickelt werden.
Barbara Nabold
lic. oec. publ.
Tarife und Betriebswirtschaft, Verband Zürcher Krankenhäuser