Auswirkungen der neuen Regel «ambulant vor stationär» auf die Pflegezentren

Viele äussern den Wunsch, nach einem Spitalaufenthalt möglichst schnell wieder zu Hause oder in ihrer gewohnten Umgebung, beispielsweise im Pflegezentrum, leben zu können. So gesehen entspricht der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich, gewisse Behandlungen statt stationär nur noch ambulant durchzuführen, nicht nur einem ökonomischen Ziel, sondern einem konkreten Bedürfnis der Patienten und ist grundsätzlich zu begrüssen.

Als flankierende Massnahme, und um keine Versorgungslücken entstehen zu lassen, hat die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich Ausnahmekriterien definiert: Beispielsweise, wenn der Patient besonders schwer erkrankt ist, schwere Begleiterkrankungen hat, postoperativ eine intensive Behandlung oder Betreuung nötig ist oder soziale Faktoren vorliegen, die eine ambulante Behandlung verunmöglichen.

Wenn wir uns vor Augen führen, dass in der Schweiz rund 2,2 Millionen Menschen1 an chronischen Krankheiten leiden, muss davon ausgegangen werden, dass etwa ein Viertel der Eingriffe und Untersuchungen überprüft werden müssen, ob die neue Regel auf sie anzuwenden ist. Neben der medizinischen Diagnostik kommen dem Nachsorgebedarf und der Sozialanamnese eine zentrale Bedeutung zu. Welche Ressourcen braucht es, damit der Patient nach dem Eingriff wieder in sein gewohntes Umfeld zurückkehren kann?

Gute Planung verbessert die Genesung und schont Ressourcen

Sind die Ressourcen des zu behandelnden Patienten vor dem geplanten Eingriff ungenügend abgeklärt und wird die Nachsorge nicht individuell geplant, kompensieren nachbetreuende Organisationen wie Pflegezentren, Spitex und Hausärzte oder Angehörige die entstehende Versorgungslücke. Dies führt für den Patienten, Angehörige und Fachpersonal zu viel Stress und vermeidbaren Kosten in Form von zusätzlichem Zeitaufwand.

Zudem besteht in diesen Fällen auch immer das erhöhte Risiko, dass sich der Gesundheitszustand des Patienten erneut verschlechtert. Rehospitalisationen oder Notfalleintritte in ein Pflegezentrum sind die eigentlich vermeidbaren Folgen. Dadurch wird nicht nur die Lebensqualität des Patienten drastisch eingeschränkt, sondern auch die angestrebte Kostenreduktion zunichtegemacht oder zumindest massiv geschmälert.

Aus diesen Überlegungen gewinnt der viel zitierte, systemübergreifende, interprofessionelle und interdisziplinäre Patientenpfad massiv an Bedeutung. Das strukturierte Zusammenspiel der gesamten Behandlungskette und der darin involvierten Berufsgruppen gewährleistet, dass sich die Eingriffs- und Nachsorgeplanung konsequent an der Patientensicht und damit an dessen Bedürfnissen und Möglichkeiten orientiert.

Zusammen mit dem Patienten ist das vorgelagerte Versorgungssystem wie Pflegezentren, Spitex, Hausarzt oder Angehörige für die Definition der vorhandenen Ressourcen zwingend in die Planung einzubeziehen. Zusammen mit dem Behandlungsteam entwickeln alle Beteiligten in einem nächsten Schritt den zu erwartenden Nachsorgebedarf und entwerfen die daraus resultierenden individuellen Massnahmen.

Für postoperative Situationen, welche eine intensive Behandlung und Betreuung erfordern, sind die Pflegezentren mit ihren spezialisierten Akut- und Übergangspflegeabteilungen bestens ausgerüstet. Diese interprofessionell konzipierten Abteilungen gewährleisten die für den Patienten spezifisch nötige Pflege und Therapie. Ziel ist es, dass der Patient seinen Ressourcen entsprechend so schnell wie möglich wieder ein möglichst selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden führen kann.

Die postakute Pflege braucht neue Finanzierungsmodelle

Neben dem proaktiven Informationsaustausch innerhalb des Patientenpfades müssen für die Finanzierung der Nachsorge in Pflegezentren zwingend neue Lösungsansätze entwickelt werden. Denn aktuell bedeutet eine Verlegung aus dem Akut- in den stationären Langzeitbereich für den Patienten, dass er die Kosten für Hotellerie und Betreuung selber bezahlen muss und seine Wohngemeinde für einen wesentlichen Kostenbeitrag an den entstehenden KVG-Leistungen aufkommen muss. Solange die Verlegung eines Patienten in ein Pflegezentrum massgebend von ökonomischen Realitäten gesteuert wird, kann das Potenzial eines integrativen Patientenpfades nicht zum Nutzen aller Beteiligten ausgeschöpft werden.

 Die Initiative des Regierungsrates des Kantons Zürich, gewisse Interventionen nur noch ambulant durchzuführen, kann zum Nutzen aller Beteiligten, insbesondere natürlich des Patienten, aufgebaut werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Systemgrenzen in einem systematischen Ansatz überwunden werden. Neue Finanzierungsmodelle für postakute Pflege, Therapie und Betreuung in Pflegezentren sind zu entwickeln. Zudem ist ein möglichst zeitnaher Informationsaustausch zwischen allen Akteuren sicherzustellen. Ansonsten besteht die akute Gefahr, dass Versorgungslücken entstehen, unnötige Rehospitalisationen generiert werden. Damit würde die Lebensqualität der zu behandelnden Menschen massiv eingeschränkt und die angestrebte Kosteneinsparung könnte nicht erreicht werden.

[1] Nationaler Gesundheitsbericht 2015 / Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, Neuenburg

Fridolin Schraner

Direktor Pflegezentrum Rotacher, Dietlikon

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