Koordination statt Regulierung und Administrierung in Pflegezentren
Die Schweiz darf sich zu den Ländern zählen, welche über ein hochspezialisiertes und multidisziplinäres Gesundheitssystem verfügen. Wie sieht es aber mit den Herausforderungen aus, die für das Gesundheitswesen und seine verbundenen Institutionen daraus entstehen? Welche Herausforderungen haben Pflegezentren zu bewältigen? Die gesamte Behandlungskette eines Bewohnenden ist auf seine Bedürfnisse abzustimmen: Beginnend mit der Pflege zu Hause, wo die Spitex hochprofessionelle Dienste leistet, über einen situationsbedingten Eintritt in ein Akutspital, oder dann eine Einweisung in ein Pflegezentrum zur Rehabilitation mit dem Ziel, dass der Bewohnende in sein gewohntes Umfeld nach Hause zurückkehren kann. Ist dies nicht möglich folgt schlussendlich der Eintritt in eine Pflegeinstitution, wo der Bewohnende sein neues und letztes Zuhause finden soll.
Eine mangelhafte Koordination in dieser Behandlungskette führt zu Qualitätseinbussen, erhöht das Risiko von Komplikationen und beeinträchtigt die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten sowie Bewohnenden. Eine koordinierte Abstimmung dieser Leistungen verhindert Doppelspurigkeiten, schliesst Versorgungslücken, steigert die Effizienz und mindert die Kosten.
Pflegeheime als wichtiges Glied der Behandlungskette
Vorsorge – Versorgung – Nachsorge
sind die drei Grundpfeiler der Behandlungskette unseres Gesundheitssystems.
Der Übergang von der stationären Akutversorgung in die stationäre Übergangspflege oder Langzeitversorgung in einem Pflegeheim stellt eines der wichtigsten Glieder in der Behandlungskette dar. Ein koordinierter und reibungsloser Übertritt dient dem Patientenwohl und ermöglicht eine effiziente Weiterbehandlung.
Konstantes Wachstum der Übertritte in Pflegeheime
Die Anzahl akutsomatischer Fälle mit anschliessender stationärer Weiterversorgung in einem Pflegeheim ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Statistik der sozialmedizinischen Institutionen (SOMED) zeigt, dass seit 2013 eine konstante jährliche Zunahme von Übertritten in Pflegeheime von 10 Prozent erfolgt. Seit 2012 sieht das KVG für Akutpatientinnen und -patienten mit einem kurzfristig erhöhten Pflegeaufwand eine «Akut- und Übergangspflege» von maximal 14 Tagen vor.
Eintritt/Austritt – die administrative Behandlungskette
Das Beispiel eines grösseren Pflegezentrums im Kanton zeigt, dass sich der Anteil an kurzfristigen Aufenthalten innerhalb der letzten 10 Jahre von 10 auf fast 50 Prozent erhöht hat.
Vor 10 Jahren sind 28 Prozent aller Bewohnenden nach 30 Tagen aus dem Pflegezentrum ausgetreten, 2019 traten 64 Prozent nach spätestens 30 Tagen aus.
Vor 10 Jahren sind 33 Prozent aller Bewohnenden länger als 365 Tage im Pflegezentrum geblieben, 2019 waren es nur noch 12 Prozent.
Erfreulich an dieser Entwicklung ist, dass über ein Drittel der Bewohnenden wieder in die gewohnte Umgebung, also nach Hause, zurückkehren konnte. Je ein knappes Drittel trat in eine andere sozialmedizinische Institution über oder verstarb im Pflegezentrum.
Je kürzer die Aufenthaltsdauer eines Bewohnenden im Pflegezentrum, umso aufwendiger gestalten sich die administrativen Abläufe. Zwischen einem Aus- und Eintritt kann ein Bett aufgrund administrativer Formalitäten nicht umgehend wieder belegt werden. Ein Leerbettbestand von 3 bis 5 Tagen ist oft die Regel.
Ein Neueintritt ist, unabhängig von der Grösse der Institution, an administrative Aufwendungen gebunden, welche verschiedene Abteilungen wie den Sozialdienst, die Bewohneradministration, den ärztlichen Dienst, den Pflegedienst und die Hotellerie einbeziehen. In vielen Pflegeheimen findet dieser abteilungsübergreifende Prozess und im engen Austausch mit den Angehörigen und der zuweisenden, ärztlichen Institution statt. Die gesamte Koordination ist ein grosser und wichtiger Teil der Administration in Pflegezentren.
Fokus auf die Zeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern setzen
Das persönliche Gespräch hat einen grossen Stellenwert, vor allem wenn es darum geht, den in die Langzeitpflege eintretenden Bewohnenden auch aus emotionaler Sicht in sein neues Zuhause einzuführen. Diesem persönlichen Austausch ist grosse Sorge zu tragen, sonst besteht das Risiko, dass die zunehmenden administrativen Auflagen dazu führen, dass weniger Zeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zur Verfügung steht.
Die Pflegezentren als «Nachversorger» in der Behandlungskette sind eine wichtige Entlastung für die stationäre Akutpflege. Ohne die Pflegeinstitutionen als Nachversorger entsteht ein Stau in den Akutspitälern. Daher verstehen wir uns als Partner in der Nachversorgungskette.
Markus Sprenger
CEO, Gesundheitszentrum Dielsdorf