Pflegeinitiative bleibt toter Buchstabe
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Die Situation beim Pflegepersonal ist angespannt. Die Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden ist für die Spitäler eine grosse Herausforderung. Darum sind schnell umsetzbare Massnahmen anzustreben. Bei einem Ja zur Pflegeinitiative, müsste der Bundesrat dem Parlament einen Vorschlag zur Umsetzung unterbreiten. Danach wären National- und Ständerat am Zug. Für die Beratungen würde das Parlament Jahre brauchen, so dass eine Lösung frühestens in vier bis fünf Jahren vorläge. Wird die Initiative abgelehnt, tritt automatisch der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. So startet die langersehnte Ausbildungsoffice sofort und die Pflegenden werden gestärkt.
Bis 2030 werden rund 43'000 zusätzliche Pflegefachkräfte mit Diplomabschluss benötigt. Gemäss dem neusten OBSAN-Versorgungsbericht zum Gesundheitspersonal können aber höchstens 29'000 Pflegende mit Diplomabschluss in der Schweiz ausgebildet werden.
National- und Ständerat haben in der Frühjahrssession dem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» zugestimmt. Vorgesehen ist eine sofortige Ausbildungsoffensive. Während acht Jahren fliesst bis zu einer Milliarde Franken in die Ausbildung, damit in der Schweiz mehr diplomiertes Pflegepersonal ausgebildet wird. Einerseits sind direkte Beiträge an die Auszubildenden vorgesehen, andererseits gehen die Mittel an Bildungsinstitutionen sowie an Leistungserbringer, die Ausbildungsplätze anbieten. Der indirekte Gegenvorschlag tritt in Kraft, falls die Pflegeinitiative vom Stimmvolk abgelehnt wird.
Sagen Volk und Stände jedoch Ja zur Pflegeinitiative, müsste der Bundesrat dem Parlament einen Vorschlag zur Umsetzung unterbreiten. Danach wären National- und Ständerat am Zug. Die Beratungen im Parlament wären erst nach den nächsten Wahlen 2023 zu erwarten. Eine Lösung läge somit frühestens in vier bis fünf Jahren vor.
Zudem ist fraglich, welche Massnahmen der Bundesrat konkret wird erwirken können. Selbst im Initiativtext steht, dass «der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten Ausführungsbestimmungen erlässt». Bekanntermassen ist das Gesundheitswesen kantonal geregelt. Der Bund hat also kaum Einflussmöglichkeiten, insbesondere auch was die Arbeitsbedingungen betrifft.
Ob das künftige Parlament trotz Annahme der Initiative nochmals eine Milliarde für eine Ausbildungsoffensive sprechen würde, ist anzuzweifeln. Denn die mit dem Gegenvorschlag vorliegende zielgerichtete, pragmatische und schnelle Lösung kam unter dem Eindruck der Corona-Pandemie zustande.
Die Anliegen der Initiative sind absolut berechtigt. Der vom Parlament verabschiedete Gegenvorschlag ist ein sinnvoller Umsetzungsvorschlag. Er nimmt die wichtigen Anliegen grosszügig auf. Es scheint unwahrscheinlich, dass das neue Parlament eine für das Pflegepersonal bessere Lösung verabschieden würde. Ausserdem kämen diese Massnahmen dann zu spät. Es muss jetzt gehandelt werden. Wer für eine zielführende Problemlösung ist, lehnt die Pflegeinitiative ab und stimmt damit für den rasch umsetzbaren indirekten Gegenvorschlag.
Roland Wespi, Geschäftsleiter des VZK sagt: «Wir unterstützen den Gegenvorschlag. Die vorgesehene Ausbildungsoffensive entschärft die Situation an der Personalfront deutlich schneller. Wir brauchen genügend Personal, um jede Schicht mit ausreichend Personal zu besetzen und das Anhäufen von Überstunden zu verhindern. Das wirkt sich auch positiv auf die Arbeitszufriedenheit aus und hält die Fachkräfte länger im Beruf.
Um das Problem jedoch nachhaltig anzugehen, müssen die zu tiefen Tarife bei den Grundversicherten angehoben werden. 70 % der Spitalkosten sind Personalkosten. Wenn gespart werden muss, dann trifft dies das Personal ganz besonders. Die zu tiefen Tarife ersticken jegliche Anstrengungen zur Verbesserung der Personalsituation. Wer sich also wirklich für die Interessen des Personals einsetzen will, der setzt sich für die Erhöhung der Tarife ein.»